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Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V.

Brandschutz-Monopoly, attraktive Unterweisung für Beschäftigte

Gestaltungsbereich: Arbeitsschutzorganisation, Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung

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Zusammenfassung

In den Steinheimer Werkstätten des Behinderten-Werk Main-Kinzig eV. wurden 2004 Brandschutztage durchgeführt, um Schritt für Schritt alle Beschäftigten und Mitarbeiter im vorbeugenden Brandschutz zu sensibilisieren. Ziele waren, die bestehenden Ängste vor Brand, Sirenengeräusch und Uniformen abzubauen sowie den Umgang mit gefährlichen brandauslösenden Situationen zu trainieren. Aufbauend auf einem detaillierten Unterweisungskonzept erfolgten Maßnahmen wie z. B. Unterweisungen mit Hilfe von Brandschutz-Spielen, eine Verkleidungsaktion und eine Brandschutzübung. 360 betroffene Personen wandelten ihre Angst in Begeisterung um.

Auslösendes Ereignis

Seit Jahren beobachteten Gruppenleiter, Arbeitsschutzakteure und Vorgesetzte, dass die behinderten Beschäftigten und Mitarbeiter häufig überreagierten, wenn es zum Thema Brandschutz kam. Sobald die Sirene des Hauses beispielsweise zum Probealarm in der Einrichtung des Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V. in Steinheim ertönte, kam es teilweise zu panikartigen Reaktionen. Bereits ein "uniformierter" Feuerwehrmann reichte aus, um bei manchem Angstzustände auszulösen. Eine Unterweisung zum Thema Brandschutz durch einen leicht uniformierten Feuerwehrmann endete nicht selten damit, dass Beschäftigte fluchtartig und unkontrolliert den Raum verließen.
Ein Zustand, der bei einem Brand- und Evakuierungsfall zu katastrophalen Folgen führen würde. Die Angst vor Brand und den begleitenden Umständen wie Sirenengeräusch und fremde, uniformierte, kaum erkennbare Personen im Haus waren der Auslöser dafür, dass sich die Geschäftsführung zu einer drastischen Maßnahme entschloss.

Ziel

Mit dem Projekt sollten Ängste aller möglichen Beteiligten und Betroffenen abgebaut werden. Gleichzeitig war Ziel, die Beschäftigten dafür zu sensibilisieren, wie sie sich im Brandfall so verhalten sollten, dass niemand zu Schaden kommen würde. Als weiteren Effekt wünschten sich die Organisatoren, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektes selbst mehr auf mögliche Brandherde oder potenzielle Gefahren achten sollten, die zu einem Brand führen könnten.

Ziel war auch, der örtlichen freiwilligen Feuerwehr und der Berufsfeuerwehr Hanau Gelegenheit zu geben, Erfahrungen im Bereich einer komplexen Brandschutz-Sensibilisierung in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu sammeln. Der zusätzliche Nutzen: Die Feuerwehr kennt so die Örtlichkeiten und die Besonderheit der Zielgruppe "behinderte Menschen" und kann im tatsächlichen Notfall rascher und sicherer reagieren. Die Feuerwehr kann bei diesem Projekt lernen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem sensiblen Einsatz besondere Fähigkeiten entwickeln (Assessment).

Lösungsweg

Brandschutz-Monopoly In der Einrichtung Steinheim wurde mit einem Planungsvorlauf von mindestens drei Monaten das Feinkonzept für eine Brandschutzwoche entwickelt. Dazu wurden folgende Meilensteine abgearbeitet:

1. Vorbereitungsphase
Die beteiligten Feuerwehren wurden abends, nur bei Anwesenheit des Projekt- und des Einrichtungsleiter, zu einer Brandschutzübung ins Haus gerufen. So konnten sich die beiden Partner in Aktion kennen lernen. Die Feuerwehren erkundeten die Örtlichkeiten und spielten die Möglichkeiten von Störungen durch, während das Projektteam prüfen konnte, wie sich die beteiligten Feuerwehrmänner und -frauen verhielten. Ziel war es, unter anderem auch herauszufinden, ob diese Persönlichkeiten den Herausforderungen und ganz speziellen Anforderungen, die behinderte Menschen mit sich bringen, gewachsen sein würden. Nach dieser Abschätzung und Übung erfolgte der nächste Meilenstein:

2. Informationsphase
2.1 Persönliche Vermittlung der Brandschutzwoche in den Gruppen
2.2 Anschlag am Schwarzen Brett, Planung der Woche: Sequenzen und Inhalte, Dauer

3. Durchführungsphase
1 - 3 Tage innerhalb der Brandschutzwoche
3.1 Unterweisungs-Modul
50-minütige Sequenzen in der Gruppe und im Außenbereich mit: Zeigen und Erläutern von Piktogrammen, Sicherheitssymbolen z. B.: "Rauchverbot", Demonstration mit Kerzen und Ersticken mit Glas - Bedeutung von Nahrung, Sauerstoff und Zündfunke, Experimente mit unterschiedlich hohen Kerzen - Wo ist im Brandfall noch Atemluft?, Riechen, Sehen und Anfassen verschiedener Stoffe, die im Außenbereich entzündet und gelöscht wurden. Die Vorführer boten diese Experimente showmäßig an. Zur zusätzlichen Motivation gab es für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer ein Getränk.
3.2 Verkleidungs-Modul
In dieser Sequenz besuchten eine Feuerwehrfrau und ein Feuermann die Gruppen, zeigten Ausstattungskoffer, legten langsam eine Uniform an, mit vollständigem Schutzanzug und Atemschutzmaske, zeigten dann die Handhabung von Fluchthauben und ließen diese ausprobieren; ebenso wie das Anziehen der Feuerwehr-Einsatzkleidung durch die Teilnehmer in der Gruppe. Ein Highlight: Fotos von behinderten Mitarbeitern in Feuerwehr-Einsatzkleidung. Die Mitarbeiter sahen so, wie aus einem bekannten Menschen eine vermummte Person wurde: ( Metamorphose) die aber zum Helfen da war!
3.3 Memory-Baustein
30 Paare verschiedener Piktogramme zur Brandschutzthematik (Flucht- und Rettungsplan Symbole etc.) wurden von den Beschäftigten bespielt und vom Gruppenleiter kommentiert. "Jetzt hast Du eine Karte mit einem Sammelpunkt. Wo das Schild ist, musst Du hin! Komm wir suchen es gemeinsam." Spielerisch prägten sich die Teilnehmer so bis Spielende über 70 % der Bedeutungen ein! Das eher tischgebundene Memory entwickelte sich schnell zu einem dynamischen Spiel, bei dem die Teilnehmer aufstanden, um zum Piktogramm beispielsweise den Feuerlöscher oder die Fluchttür zu suchen und den anderen Spielern zu zeigen.
3.4 Brandschutz – Fluchtwegespiel , mit Ereignisfeldern
Der Grundriss der Einrichtung Steinheim wurde so vergrößert, dass sich darauf Laufkästchen für normale Spielfiguren einzeichnen ließen. Das Spiel ist für vier Personen der Einrichtung ausgelegt, enthält Ereignisfelder, die typische Schwierigkeiten, Ereignisse enthalten. Beispiel: ein Rollifahrer möchte rasch die Fluchttür erreichen, hinter der jedoch eine Treppe ist, die er nicht benutzen kann. Ein Ereignisfeld kann auch sein, dass der Spieler wegen plötzlicher Rauchentwicklung die Laufrichtung ändern muss etc. Außer dem Erlernen von Piktogrammen, dem Einhalten von festen Wegen und dem wichtigen gemeinsamen Austausch von Informationen, lernen die Spieler so auch über den Grundriss und Zuordnung von Räumen und Fluren ihre Einrichtung noch besser kennen.
3.5 Übung: Feuerwehrgroßalarm
Mit 360 Personen in der Einrichtung, und über 40 externen Feuerwehrmännern, Feuer-wehrfrauen und Arbeitsschutzexperten wurde ein Großalarm ausgelöst. Dazu wurde zuerst inkognito in einem Raum mit künstlichem Nebel gearbeitet. Die Tür des Raumes war angelehnt, so dass der Qualm in den Flur der Einrichtung ziehen konnte. Durch den Qualm aufmerksam geworden, liefen Beschäftigte zum Hausmeister, der die Lage kontrollierte, bestätigte und Feueralarm auslöste. Die Evakuierung erfolgte unterhalb von 10 Minuten; parallel dazu rückten bereits (die vorgewarnten und eingewiesenen) freiwilligen Feuerwehren und die Berufsfeuerwehr Hanau an.
3.6 Mutprobe, Selbstversuch - Modul
Zum Schluss der Brandschutzaktion wurde ein Raum vernebelt. Alle hatten die Möglichkeit, nun mit einer Fluchthaube durch den Raum zu gehen. Unmittelbar begleitet wurden die Menschen von mindestens einer Person als Ansprechpartner mit Körperkontakt.

4. Evaluierungsphase
Überprüft wurden die Ergebnisse und Erfahrungen aus der Brandschutzwoche mit dem Projektteam und den beteiligten Feuerwehren. Denn: Manöverkritik ist bei Feuerwehren üblich!

Erfolg

Der Gewinn: Angst abgebaut.
Die Angst vor typischen Aktivitäten im Brandfall, angefangen von einem Probealarm durch eine Sirene, bis hin zur Begegnung mit einem voll ausgestatteten Feuerwehrmann konnte zum überwiegenden Teil behoben werden. Mit der erhöhten Sensibilität für Fragen des Brandschutzes ging einher, dass die Beschäftigten im erheblich höheren Umfang als bisher aktiv an einer sicheren Umgebung mithalfen. Von gegenseitigem Hinweisen, wenn jemand unachtsam mit seiner Kippe ist oder Papier nicht ordentlich entsorgt, bis hin zum "An-die-Hand-Nehmen", um jemanden zu helfen, der unsicher ist, konnten Einrichtungsleiter und die Gruppenleiter deutliche Veränderungen feststellen.

Als weiteres positives Feedback war zu registrieren, dass die Beschäftigten auch in ihrer Freizeit ein sorgfältigeres Verhalten mit Feuer zeigten. Die Brandschutzwoche hat den Beschäftigten ein gewisses zusätzliches Selbstvertrauen gegeben und der Spassfaktor war und ist Garant für Wiederholungen!

Zusätzlicher Nutzen für die Feuerwehren: Sie konnten mit diesen Aktivitäten für besondere vorbeugende Maßnahmen zum Arbeitsschutz werben und haben einen besseren Zugang zur Unterweisung behinderter Menschen gewonnen.

Weiterführende Informationen

Arbeitssicherheit durch vorbeugenden Brandschutz, Berufsgenossenschaftliche Information - Broschüre

Betrieb

Betriebsname:Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V.
Straße:Vor der Kaserne 6
PLZ:63571
Ort:Gelnhausen
Internetadresse:www.bwmk.de
Betriebsgröße:250 bis 999 Beschäftigte
Gründungsjahr:1974
Wirtschaftssektor:Verarbeitendes Gewerbe

Betriebliche(r) Ansprechpartner/in

Name:Robert Walz
Funktion:Technischer Leiter, Fachkraft für Arbeitssicherheit
Telefon:06051/9759 - 43
Fax:06051/9759 - 61
E-Mail:walz.robert@bwmk.de


Gestaltungsbereich:

Arbeitsschutzorganisation, Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung

Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Optimierung der Arbeitsplätze zugunsten der Beschäftigten, aber auch zur Steigerung der Produktivität (Lärm, Staub, Reinigungsmittel, Hebehilfen, verstellbare Arbeitstische, Absicherung, Ergonomie etc.).